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auf Englisch
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Dominik Forsberg
Über den Sinn des Lebens
Spoiler Alert
Die Kurzgeschichte Eine Geschichte über das Universum
behandelt die gleichen Ideen wie dieser Text, sie verpackt sie aber in eine belletristische Erzählung. Falls du dir die Geschichte durchlesen oder anhören möchtest, empfehle ich dir, es noch vor diesem Text zu tun. Ansonsten bist du hier Spoilern ausgesetzt und du verpasst den literarischen Aha-Effekt. Du kannst hier aber auch einfach weiter lesen – die Entscheidung liegt bei dir.
Einleitung
In diesem Dokument denke ich über die Fragen nach, was der Sinn des Lebens sein könnte, ob es einen Gott gibt und – falls es ihn gibt – wie müsste man sich ihn vorstellen. Diese Fragen sind natürlich sehr philosophisch. Wenn auch dich solche Themen beschäftigen und du vielleicht eine Inspiration bei der Formulierung deiner eigenen Antworten suchst, dann bist du hier richtig.
Meine Überlegungen schreibe ich in einer strukturierten Form auf. Lass dich durch diese Form aber nicht täuschen. Ich biete dir hier nur wilde Spekulationen
und
kreative Anregungen
an – keine Beweise oder Theorien im wissenschaftlichen Sinne. Selbst wenn ich nicht in jeden zweiten Satz ein „vielleicht“ hineinschreibe, behalte bitte im Hinterkopf, dass der ganze Text auf Spekulationen basiert und interpretiere ihn nicht zu dogmatisch.
Auch wenn meine Überlegungen aus wissenschaftlicher Sicht haltlos sind, macht es trotzdem Spaß, sich mit solchen Spekulationen zu befassen. Wenn man damit erstmals angefangen hat, dann ist es sogar ziemlich schwer, irgendwann aufzuhören. ;-)
Du wirst hier sicherlich auch auf einige Punkte stoßen, die du anders siehst – und das ist super! Mir geht es nicht darum, dich für
meine
Sichtweise zu missionieren. Wenn dich dieser Text zu
deinen eigenen
Überlegungen und Thesen anregt, dann habe ich mein Ziel bereits erreicht.
Fragen
1. Was ist der Sinn des Lebens? [▼]
2. Wie wird sich das intelligente Leben im Universum weiter entwickeln und was ist ein mögliches finales Stadium einer hochentwickelten Zivilisation? [▼]
3. Gibt es einen Gott? [▼]
4. Wie könnten ein Atheist und ein Gläubiger gleichzeitig Recht haben? [▼]
5. Falls es einen Gott gibt, wie soll man sich ihn vorstellen? [▼]
6. Haben wir einen freien Willen? [▼]
7. Schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde, oder war es umgekehrt? [▼]
8. Falls es einen Gott gibt, wieso lässt er das Böse zu? [▼]
9. Haben wir eine unsterbliche Seele und erwartet uns ein ewiges Leben im Jenseits? [▼]
10. Falls es einen Gott gibt, urteilt er über unsere Taten und wird er uns mit Himmel belohnen oder mit Hölle bestrafen? [▼]
11. Was sind die ethischen Konsequenzen dieser Thesen? Wie müsste man nach einer solchen Weltanschauung leben und handeln? [▼]
12. Welche Fehler machen wir häufig, wenn wir über Gott und die Religionen nachdenken? [▼]
Thesen
1. Was ist der Sinn des Lebens?
Es sind unsere Erfüllung, unsere geistige Weiterentwicklung und persönliches Wachstum. Diese erreichen wir durch das Leben und Genießen unseres Lebens, als auch durch kontinuierliche Überwindung von Herausforderungen.
Durch all das könnte der Sinn des Lebens letztlich auch eine Neuerzeugung oder Verbesserung eines „Gottes“ sein.
(Mehr dazu im weiteren Text.)
2. Wie wird sich das intelligente Leben im Universum weiter entwickeln und was ist ein mögliches finales Stadium einer hochentwickelten Zivilisation?
2.1
Aus Sicht der Steinzeitmenschen kann man bereits unser heutiges Wissen und Fähigkeiten als gottähnlich beschreiben. Gleichzeitig haben wir zurzeit sowohl als Individuen, als auch als Zivilisation noch unzählige Schwächen und Probleme. Aus Sicht einer hochentwickelten intelligenten Lebensform aus weiter Zukunft müssen wir immer noch wie Steinzeitmenschen, oder gar Ameisen, wirken.
2.2
Wenn man die bisherige Entwicklung in die weite Zukunft extrapoliert, dann wird sich das intelligente Leben im Universum letztlich zu einem Gott entwickeln. Nicht in einem übertragenen Sinne, sondern wörtlich.
Bedenke, wie stark sich unsere Fähigkeiten nur in den letzten 100 Jahren entwickelt haben, und stelle dir jetzt vor, was über Millionen oder gar Milliarden von Jahren passieren kann. Bedenke auch, dass es im Universum wahrscheinlich viele Zivilisationen gibt, sodass die Fehlschläge oder Stagnationen einzelner Zivilisationen diesen Gesamtfortschritt nicht aufhalten können.
Ich glaube, dass die zukünftige Intelligenzform, die aus diesem Prozess hervorgeht, über eine faktisch unbeschränkte Macht über alle Materie und Energie im Universum verfügen wird. Sie wird möglicherweise auch in der Zeit nicht eingeschränkt sein. Ihr Bewusstsein wird vermutlich alle Wesen vereinen und wird nicht auf einen vergänglichen Körper gebunden sein. Damit wird sie unsterblich sein. Sie wird auch über ein fast unbeschränktes Wissen verfügen, zumindest wenn man es aus der heutigen Sicht beurteilt. Eine solche intelligente Entität ist nichts anderes als das, was wir heute „Gott“ nennen.
2.3
Mit allen diesen steigenden Fähigkeiten und Stärken wird aber Hand in Hand auch ein wichtiger Nachteil kommen. Wegen ihrer Omnipotenz werden eine weitere Freude an der eigenen Existenz, als auch ein weiteres persönliches Wachstum durch neue Herausforderungen für diese Entität immer weniger möglich sein. Damit wird ihr Leben langsam seinen Sinn verlieren. (Siehe #1.)
2.4
Die zukünftige intelligente Entität – in unserem Vokabular „der Gott“ – wird also zwangsläufig nach einer Möglichkeit für weitere Freude, Herausforderungen und eigene Weiterentwicklung suchen. Sie wird dafür möglicherweise eine Art „Simulation“, ein „Projekt“, oder ein „Spiel“ starten. Dieses „Spiel“ ist natürlich nicht mit den heutigen primitiven Computerspielen zu vergleichen. Schau dir unser Universum an und du bekommst eine bessere Vorstellung darüber, wie das „Spiel“ in seiner Komplexität aussehen könnte. Wem die Bezeichnung „Spiel“ zu abwertend und der Wichtigkeit dieses Unterfangens nicht angemessen erscheint, der kann stattdessen den Begriff „Projekt“ benutzen. Dieses „Projekt“ ist sicherlich kein bloßes Spiel, sondern existenziell wichtig. Schließlich ermöglicht es der intelligenten Entität, den Sinn ihres Lebens beziehungsweise ihrer Existenz (#1) aufrechtzuerhalten.
3. Gibt es einen Gott?
3.1
Meine kurze und ehrliche Antwort auf diese Frage lautet: Ich weiß es nicht.
Als Agnostiker bin ich vom meinem eigenen „Wissen“ nicht so stark überzeugt, wie die Atheisten oder Theisten. Sie behaupten, die wahre Antwort auf diese Frage zu kennen, oder legen sich zumindest auf die von ihnen bevorzugte Antwort fest. Ich gebe ehrlich zu, dass ich die Antwort einfach nicht kenne.
3.2
Ich sehe keinen einzigen
unbestreitbaren Beweis dafür, dass es einen Gott gäbe. Falls es ihn also gibt, hat er seine Existenz zumindest sehr gut verschleiert.
Alle Argumentation der Gläubigen in Richtung: „Schau dir doch an, wie vollkommen unser Universum ist, was für ein Wunder unser Leben doch darstellt – all das kann doch kein Zufall sein!“ überzeugt mich nicht wirklich. Selbstverständlich kann unser Leben durch Zufall entstanden sein. Zufallsprozesse + Evolution + Ultra viel Zeit führen doch zwangsläufig zu extrem „wundersamen“ Ergebnissen.
„Ja aber wenn man doch bloß die Planck-Konstante um ein kleines wenig verändern würde, dann…“ Nun dann gäbe es aus meiner Sicht vielleicht ein ganz anderes Universum mit ganz anderen physikalischen Gesetzen, in dem ein Leben ganz anders funktionieren könnte. Jedenfalls, wenn wir uns als intelligente Wesen nach Jahrmillionen der Evolution darüber wundern, wie unser Universum so „vollkommen“ sein kann, dass es unsere Existenz ermöglicht, dann vergessen wir, dass es in einem Universum, in dem kein intelligentes Leben möglich wäre, auch niemanden gäbe, der sich darüber wundern könnte. Insofern ist per Definition jedes
Universum, in dem sich jemand wundert, ganz zwangsläufig „vollkommen“.
Wie auch immer, solche Diskussionen zwischen den Gläubigen und den Nicht-Gläubigen sind so alt wie die Menschheit selbst. Ich bleibe dabei, dass ich keinen einzigen unbestreitbaren Beweis für die Existenz Gottes sehe.
3.3
Gleichzeitig sehe ich, dass sich die Mehrheit der Menschen nach einem Gott sehnt. Wir kreieren und definieren ihn ständig. Auch ich tue es in diesem Text, obwohl ich kein Gläubiger bin. In unserer gedanklichen Welt existiert der Gott bereits – und das in unzähligen Varianten. Wenn ich diese Sehnsucht mit den Fähigkeiten einer Intelligenzform aus der fernen Zukunft kombiniere, dann wird es später mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit einen echten Gott geben (s. #2.2).
3.4
Ich beobachte, dass unsere aktuelle Existenzform im Raum und in der Zeit sehr stark eingeschränkt ist. Wir können uns im Raum zwar bewegen, diese Bewegungsfreiheit ist aber in kosmischen Maßstäben extrem eingeschränkt. Außerdem können wir uns gleichzeitig nur an einem Ort des Raums befinden. In der Zeit können wir uns überhaupt nicht aktiv bewegen, nicht einmal so eingeschränkt wie im Raum. Und schon gar nicht können wir in mehreren Zeitpunkten gleichzeitig existieren.
3.5
Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Gott nicht durch den Raum und die Zeit eingeschränkt ist, d. h. dass er sich im Gegensatz zu uns in allen räumlichen und zeitlichen Koordinaten gleichzeitig befinden kann. Diese Annahme ist zwar nur meine Spekulation, wenn sie aber zutreffen würde, dann hätte sie ganz besondere Auswirkungen. Die Futurum-Formulierungen, die ich oben der Verständlichkeit halber benutzt habe (z. B. „Gott wird
entstehen“ oder „Gott
wird
ein Projekt durchführen“ usw.) sind nur unserem linearen Zeitbegriff geschuldet. Für eine Entität, die keiner zeitlichen Einschränkung unterliegt und sich in allen Zeitpunkten gleichzeitig befinden kann, ist eine Formulierung wie „Gott wird entstehen“ äquivalent zu „Gott ist entstanden“ und „Gott ist am Entstehen“. Auch wenn es in unserem Zeitverständnis kontraintuitiv wirken mag, versuche bitte trotzdem, dich hier auf diese Spekulation einzulassen.
3.6
Aus #2.2
(Es wird in der Zukunft wahrscheinlich einen Gott geben.) und
#3.5
(Ein Gott ist wahrscheinlich nicht durch Raum und Zeit eingeschränkt.) folgt für mich, dass es den Gott eigentlich bereits jetzt schon mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gibt.
4. Wie könnten ein Atheist und ein Gläubiger gleichzeitig Recht haben?
4.1
Unsere Form der Existenz ist sehr eingeschränkt. Nicht nur durch den Raum und die Zeit (#3.4), sondern auch durch unseren Körperbau, unsere begrenzte Wahrnehmung, Intelligenz und Wissen, und nicht zuletzt auch durch unsere kulturelle Prägung. Wir sehen z. B. keine Röntgenstrahlen und spüren kein magnetisches Feld. Wir wissen nicht, was die „dunkle Materie“ ist, oder ob es wirklich einen Big-Bang gab, wir können die Trajektorie einer fallenden Feder nicht intuitiv vorhersagen, wir können Angst vor Schlangen haben, oder – wenn wir in den USA aufgewachsen sind – vielleicht sogar vor „Sozialismus“. Aus allen diesen Gründen ist auch unser alltägliches Verständnis von „Wahr“ und „Falsch“ eingeschränkt und stark auf unsere Form der Existenz angepasst. Wir mögen z.B. einen Raum als „dunkel“ bezeichnen, nur weil darin die Strahlungsintensität in dem für uns sichtbaren Teil des Lichtspektrums unter dem Empfindlichkeitsschwellenwert unserer Augen liegt. Für ein anderes Wesen könnte derselbe Raum jedoch „verdammt hell“ sein.
Aber auch abgesehen von solchen physikalischen und kulturellen Überlegungen sind „Wahr“ und „Falsch“ häufig ganz grundsätzlich unklar. Informatiker, die sich mit der Fuzzylogik befasst haben, oder auch Quantenphysiker wissen, dass sich die objektive Realität leider nicht immer mit einem klarem Ja oder Nein beschreiben lässt. Diese Feststellung mag für uns gewöhnliche Menschen nicht zufriedenstellend und sogar frustrierend sein, sie ist aber dennoch valide. Folglich lässt sich auch die Frage „Gibt es einen Gott?“ möglicherweise nicht mit einem klaren Ja oder Nein in unserer eingeschränkten Logik beantworten.
4.2
Wenn ich auf unser Universum schaue, ich es als ein mögliches „Projekt Gottes“ (#2.4) betrachte und beobachte, dass er seine Existenz darin zumindest sehr gut verschleiert hat (#3.2), dann schlussfolgere ich daraus, dass dieses „Projekt“ sehr starke agnostische Merkmale hat. Es scheint nicht nur so zu sein, dass die Zukunft nicht vorherbestimmt ist, sondern es scheint sogar so weit zu gehen, dass es nicht mal fest steht, ob es einen Gott gibt.
Es kann sein, dass sich der Gott mit der Erschaffung des Universums selbst „aufgelöst“ und seine „Wiederherstellung“ als auch seine weitere Verbesserung dem Universum überlassen hat. (Was für eine schöne göttliche Herausforderung! S. auch Sinn des Lebens in #1.) Wenn dieses „Projekt“ erfolgreich verläuft, dann wird es einen Gott geben (und folglich gibt es ihn bereits jetzt, s. #3.6) und wenn es schief läuft, dann wird es keinen Gott geben (und folglich gibt es ihn auch jetzt nicht). Das wäre ein agnostisches „Spiel“ mit einem offenen Ende und einem „Schrödingers Gott“ (statt Katze) wenn du so willst.
4.3
Wem die Aussage „Es gibt keine klare Ja/Nein Antwort.“ zu philosophisch ausweichend und unbefriedigend erscheint, für den kann ich sie auch in einer einfacheren, plakativen Sprache ausdrücken: „Ob es einen Gott gibt, steht heute noch nicht endgültig fest. Die Tendenz sieht gut aus, aber es hängt auch von deinem Verhalten in diesem ‚Spiel‘ ab, ob es einen Gott später wirklich geben wird und wie genau er sein wird. Wenn du dir also einen Gott wünschst, dann streng dich bitte an.“ (Leider klingt das sofort irgendwie kirchlich-predigend, nicht wahr? ;-) )
5. Falls es einen Gott gibt, wie soll man sich ihn vorstellen?
5.1
Manche der Eigenschaften von „Gott“ habe ich bereits in #2.2
und
#3.5
beschrieben:
• faktisch unbeschränkte Macht über alle Materie und Energie im Universum
• nicht eingeschränkt durch Raum und Zeit
• nach unseren Maßstäben ein fast unbeschränktes Wissen
• Bewusstsein, welches alle Wesen im Universum vereint
• nicht auf einen vergänglichen Körper gebunden und dadurch unsterblich.
Natürlich hat ein Gott mit diesen Eigenschaften kein Geschlecht und ist deswegen weder „er“ noch „sie“. (Der Einfachheit halber werde ich hier aber trotzdem die übliche männliche Form benutzen. Diese hat sich gut eingebürgert und lenkt deswegen beim Lesen nicht ab. Ich möchte deinen Fokus möglichst auf die diskutierten Ideen lenken und nicht auf das Gender-Thema, wie interessant dieses auch sein mag.)
Ich nehme an, dass der „Gott“ durch eine Weiterentwicklung und „mentale Verschmelzung“ der zukünftigen Wesen im Universum entstehen wird. Wenn ich weiterhin annehme, dass er nicht durch die Zeit eingeschränkt ist, dann kann er genauso gut eine mentale Vereinigung der Wesen
aus allen Zeiten
sein, inklusive uns.
Wenn dem so wäre, dann wären wir alle gewissermaßen „mentale Bausteine“ von Gott und es gäbe keinen
prinzipiellen
Unterschied zwischen einem menschlichen Geist und Gott. Natürlich ist ein menschliches Wesen in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Aber in seiner grundsätzlichen Natur wäre dann unser Geist nicht unterschiedlich von dem göttlichen. Plakativ könnte man also sagen: „Trenne ein winziges Bruchstückchen von Gottes Geist ab, fessle es durch allerlei physische und intellektuelle Einschränkungen sowie durch ein limitiertes Wissen – und du bekommst einen menschlichen Geist.“
5.2
Wenn man annimmt, dass es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Geist gibt und wenn man weiter annimmt, dass Gott eine mentale Vereinigung aller Wesen aus allen Zeiten ist, dann ist keine scharfe Trennung zwischen „meinem Geist“ und „dem Geist von Gott“ mehr möglich. Es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Entität „Ich“ und der Entität „Gott“. Ich bin
(ein Teil von) Gott. Zwar ein unwissender Teil in einer vorübergehend stark eingeschränkten Existenzform, für die ich mich möglicherweise im Rahmen eines „Spiels“ entschieden habe, aber dennoch ein vollwertiger Teil.
5.3
Genau wie ich, sind auch alle anderen Wesen nur Teile von Gottes Wesen. Wenn es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der Entität „Gott“ und der Entität „Ich“ gibt, dann gibt es auch keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der Entität „Ich“ und der Entität „Du“. Wir sind nicht nur gleichartig, sondern wirklich dasselbe. In unserer aktuellen Existenzform und mit unserem eingeschränkten Wissen mag uns diese Feststellung zwar nicht einleuchten, sie kann aber dennoch korrekt sein.
6. Haben wir einen freien Willen?
6.1
Ja. Wenn die oben dargelegten Überlegungen zutreffen, dann sind wir alle vollwertige Teile desselben „Gottes“ mit einem freien Willen. Unsere Zukunft ist nicht vorherbestimmt, wir gestalten und beeinflussen sie täglich. Wir unterliegen zwar unterschiedlichen (physikalischen, intellektuellen, und anderen) Einschränkungen, aber im Rahmen dieser Einschränkungen können wir frei agieren.
6.2
Die Tatsachen, dass wir keinen eindeutigen Beweis für die Existenz eines Gottes haben (#3.2) und dass man völlig valide argumentieren kann, dass es gar keinen Gott gibt (#4.2), sind in meinen Augen eine wichtige Voraussetzung für unseren freien Willen. Gäbe es einen Gottesbeweis, dann könnten wir uns jederzeit und bei jedem Problem „zurückziehen“ und uns auf die höhere Autorität berufen: „Lieber Gott, ich weiß jetzt nicht mehr weiter. Und ich weiß eigentlich auch nicht, was das Ganze soll. Bitte übernehme die Kontrolle und mach du jetzt mal weiter! Du hast schließlich diesen ganzen Universum-Mist verzapft. Also ist es deine Schuld und dein Problem.“
Wenn wir mit Sicherheit wüssten, dass unsere Existenz durch eine externe, überlegene Autorität überwacht wird und wir annehmen könnten, dass diese Autorität dabei ihre eigenen Ziele verfolgt, dann wäre unser Wille nicht wirklich frei. Es würde darauf hinauslaufen, herauszufinden, was diese höhere Autorität eigentlich anstrebt, um dann genau das umzusetzen.
7. Schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde, oder war es umgekehrt?
Beides! Die Thesen #2.4
(Gott startete ein Universum-Projekt.) und
#5.2
(Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen dem menschlichen Geist und Gott.) könnte man auch so ausdrücken, dass „Gott den Menschen zu seinem Bilde schuf“.
Aus den Thesen
#1
(Die persönliche Weiterentwicklung und geistiges Wachstum sind ein essenzieller Teil des Sinns des Lebens.),
#3.3
(In unseren Gedanken kreieren und definieren wir den Gott ständig.) und
#4.2
(Gott überlässt dem Universum seine Wiederherstellung und Verbesserung.) folgt wiederum, dass alle Wesen während der gesamten Laufzeit des Universums daran arbeiten, einen neuen, und vielleicht besseren, Gott zu erschaffen.
Aus
#5.2
(Wir sind kleine unwissende Teile von Gott.) folgt weiterhin, dass es zwischen diesen zwei Aussagen letztlich keinen Unterschied gibt.
8. Falls es einen Gott gibt, wieso lässt er das Böse zu?
8.1
Ganz philosophisch kann man sagen, dass es „das Böse“ immer nur als Kontrast, oder Gegensatz zu „dem Guten“ geben kann. Ohne „das Böse“ gäbe es nicht „das Gute“ und vice versa. Würden wir auf einer Skala von -10 (ganz, ganz böse) bis +10 (ganz, ganz toll) wie ein allmächtiger Gott die Punkte -10 bis -7 „streichen“, dann würden einfach die Ereignisse auf der Position -6 das neue Maximum des Bösen werden. Die Skala wäre angepasst und die „Gut-Böse-Dynamik“ in unserem Universum wäre etwas geringer. Die Wesen in unserem Universum würden nicht wissen, dass es theoretisch noch etwas viel Schlimmeres geben könnte als das, was ihnen dort widerfährt. Sie würden sich ganz stark vor den -6-er Ereignissen fürchten, weil diese für sie das maximal denkbare Böse wären.
Vielleicht würden wir in unserer göttlichen Güte die Skala anschließend noch mal in den Positivbereich erweitern. Sie würde nicht bereits bei +10 („super wie ein Orgasmus“) enden, sondern erst bei +13 („ekstatisch wie ein Heroin-Schuss“). Wären wir anschließend wirklich überrascht, wenn uns die Wesen in dem neuen Universum keinen Dank zeigten, sondern nur anfangen würden, sich über die „öden“ Orgasmen zu beklagen?
8.2
Es könnte tatsächlich viel schlimmere Universen geben als das unsere. In unserem Universum gibt es zum Beispiel Neutrinos – Partikel, die durch fast alle Materie wechselwirkungsfrei durchfliegen. Es wäre aber auch ein Universum vorstellbar, in dem ein sehr selten vorkommendes Partikel – ein Mortalino – eine verheerende Kettenreaktion innerhalb des menschlichen Körpers auslösen würde. Diese Reaktion würde über mehrere Stunden zu einem totalen Zerfall aller Zellen im Körper führen.
In einem solchen Universum könne ein Betroffener durch einen zufälligen Mortalino-Treffer völlig willkürlich und „aus heiterem Himmel“ aus seinem Leben gerissen werden. Er würde sich bis zum Tod schreiend unter furchtbaren Schmerzen winden, ohne dass ihm die Umstehenden irgendwie helfen könnten. Wenn die Mortalinos sehr selten wären, würde eine solche Modifikation der Naturgesetze die Evolution nicht aufhalten. Sie würde aber die Kultur und die Wahrnehmung der Gut-Böse-Skala der Universum-Bewohner dennoch massiv verändern.
Zum Glück gibt es in unserem Universum keine solchen Mortalinos. Stattdessen genießen wir Farben, Düfte, köstliches Essen mit Tausenden von fantastischen Geschmacksrichtungen, Sex, Träume, Humor, Liebe, Erfüllungsgefühl bei der Überwindung von Herausforderungen und unzählige weitere Freuden des Lebens. Mache es dir ganz bewusst, bevor du das nächste Mal über „zu viel des Bösen“ klagst.
8.3
Und dann gibt es noch Sklaverei, Folter und Holocaust – Phänomene, die ganz offensichtlich und unbestreitbar Böse sind. Alle diese Phänomene sind menschengemacht. Sie können geschehen, weil wir einen freien Willen haben (#6). Ein Gott könnte sie nur unterbinden, indem er uns unseren freien Willen nehmen würde. Ein solches Marionetten-Universum ohne freien Willen wäre zwar denkbar, möglicherweise würde es aber seinen Sinn verlieren (s. #1, #2.4
und
#4.2).
8.4
Eine gewisse Gut-Böse-Dynamik ist zur Erreichung des Sinns des Lebens wichtig, ansonsten wären die Herausforderungen in einem solchen Universum zu gering (s. #1, #2.4
und
#4.2). Klar könnte es auch ein Universum mit einer Gut-Böse-Skala von -3 bis +3 geben, dieses wäre aber weniger herausfordernd und folglich auch weniger sinnstiftend. Für eine persönliche Weiterentwicklung ist ein „+/-10 Universum“ vielleicht besser geeignet als ein „+/-3 Universum“.
Ein „+/-100 Universum“ könnte wiederum zu hektisch und instabil sein, sodass der ursprüngliche Sinn darin wieder nicht gut erfüllbar wäre. Die Gut-Böse-Dynamik unseres Universums liegt also möglicherweise genau in einem vertretbaren Rahmen. Wir wissen es einfach nicht.
8.5
Aus #2.1
und
#2.2
folgt, dass die Gut-Böse-Dynamik im Verlauf der Zeit tendenziell sinkt. Natürlich kann es zeitlich oder räumlich lokale Vergrößerungen der Dynamik geben, aber über wirklich lange Zeiträume nimmt „das Böse“ kontinuierlich ab. Vergleiche nur das Mittelalter mit der Gegenwart: „Was? Man konnte damals noch für einen Diebstahl gehäutet und für eine freie Meinungsäußerung lebendig verbrannt werden?“ Und genauso vergleiche die Gegenwart mit einer fernen Zukunft: „Was? Man konnte damals noch nicht antigravitativ fliegen und man musste wegen einer kleinen DNA-Beschädigung (d. h. Krebs) gleich qualvoll sterben?“ Oder sogar: „Wie sterben – ist das dein Ernst? War das nicht zu grausam? Wie konntet ihr überhaupt das Leben genießen, mit dem Wissen, dass ihr in wenigen Jahrzehnten STERBEN müsst?“
So wie es immer weniger „Böses“ gibt, adaptieren sich auch unsere Erwartungen und unsere Wahrnehmung der Gut-Böse-Skala. Damit verringert sich, relativ-gesehen, auch das „Gute“ und es verkommt zum „Normalen“ (einen vollen Kühlschrank haben) oder sogar „Öden“ (unsere Regierung wählen dürfen). Am Ende dieses langen Prozesses mag das Leben in dem „aktuellen Spiel-Level“ (d. h. Universum) seinen Sinn gänzlich verlieren (#2.3).
8.6
Der ganze, oben beschriebene, Weg mit dem ständigen Kampf „Gut gegen Böse“ ist nicht sinnlos. Wenn wir ihn durchlaufen und ihn abgeschlossen haben, dann haben wir eine höhere Stufe der Selbsterkenntnis erreicht. Und selbst wenn der Prozess mit der Zeit langsam seine Dynamik verliert, können wir später etwas Grundsätzliches zur Wiederbeschaffung des Lebenssinns unternehmen und vielleicht das „nächste Spiel-Level“ organisieren (#2.4).
8.7
Hier lohnt es sich zu wiederholen, dass dieser Prozess vielleicht nur in unserer eingeschränkten Zeitwahrnehmung sequenziell abläuft. Für ein göttliches Wesen können sich die einzelnen Schritte auch gleichzeitig abspielen (#3.5).
Verschiedene Multiversum-Theorien beschreiben einen solchen Prozess über Parallel-Universen. Auch hier spielen sich alle möglichen Handlungsalternativen gleichzeitig ab. Die konkreten Modelle mögen sich unterscheiden, aber sie alle regen uns dazu an, unser eingeschränktes lineares Verständnis der Zeit zu erweitern.
8.8
Mit Ausnahme von wenigen Individuen scheint der Wunsch nach dem Guten ganz tief in uns allen verankert zu sein. Häufig handeln wir nicht konsequent danach, aber wir könnten es prinzipiell tun. Aus #5.2
(Du bist ein kleiner Teil von Gott.),
#6
(Du hast einen freien Willen.) und
#8.3
(Die übelsten Erscheinungen des Bösen sind menschengemacht.) folgt, dass es wenig hilfreich und ziemlich alibistisch wäre, sich zu beklagen, dass „Gott das Böse zulässt“. In einer kirchlich-predigenden Rhetorik könnte man es auch so ausdrücken: „Hör auf, die Verantwortung auf deinen virtuellen Gott zu schieben. Du selbst bist ein kleiner Gott. Streng also auch du dich an, damit die Ereignisse auf dem bösen Ende der Skala weniger häufig werden. Dafür hast du doch deinen freien Willen! Sicher, deine Einflussmöglichkeiten sind beschränkt. Aber gib es zu, du nutzt sie noch bei Weitem nicht aus. Glaubst du, die Milliarden von Hennen (Lebewesen mit Gefühlen!) müssten so erbärmlich auf kleinstem Raum vegetieren, wenn du nicht die billigsten Eier im Supermarkt kaufen würdest? Glaubst du, der Hans aus der 3B wäre nicht glücklicher gewesen, wenn du ihn damals auf dem Schulhof vor den Rüpeln verteidigt hättest? Die Frage lautet also weniger: ‚Warum lässt Gott das Böse zu?‘, sondern: ‚Warum lässt du
das Böse zu?‘“
9. Haben wir eine unsterbliche Seele und erwartet uns ein ewiges Leben im Jenseits?
9.1
Wenn Menschen von dem Erhalt „ihrer Seele“ träumen, dann meinen sie meistens ihre jetzige Persönlichkeit, mit ihren jetzigen Überzeugungen. Ich glaube nicht, dass diese Seele unsterblich ist.
Wenn ich von einer Vereinigung vieler kleinen Wesen zu einem Gott spreche (#5.1), dann habe ich eine Flüssigkeits-Metapher vor den Augen. Bei einer Flüssigkeit kann man viele kleine Tropfen (oder Wesen) zu einem großen Ozean (Gott) vermischen, so dass sich die ursprünglichen Entitäten nachher nicht mehr auseinander dividieren lassen. Die ursprünglichen Persönlichkeiten sind zwar grundsätzlich noch vorhanden, sie sind aber gleichzeitig „verschwunden“, da sie sich vermischt und über eine große Fläche verteilt haben.
Auch wenn es einem kleinen Wesen in seinem eingeschränkten Bewusstsein und mit einem starken Ego unangenehm erscheinen mag, ist es kein Verlust, wenn es in dieser Form später nicht mehr existieren wird. Es wird existieren, aber als ein wissender integraler Teil des Ganzen, nicht als eine unwissende isolierte Entität.
Die Antwort lautet also wieder mal: „Ja und nein“. Deine konkrete „Seele“ wird zwar nicht gänzlich verschwinden – in diesem Sinne ist sie unsterblich. Sie wird aber derart anders sein, dass du sie vielleicht gar nicht mehr als „deine Seele“ beschreiben würdest. Und ich schätze, dass sie in ihrer vollen Bewusstseinsform auch nicht wirklich traurig sein wird, dass sie nicht mehr deine jetzige Seele ist. Insofern wird alles gut. ;-)
10. Falls es einen Gott gibt, urteilt er über unsere Taten und wird er uns mit Himmel belohnen oder mit Hölle bestrafen?
10.1
Da du selbst (ein Teil von) Gott bist (#5.2), frag dich doch selbst: Wirst du über deine Taten urteilen? Ich denke schon. Du hast ein Gewissen. Du wünschst dir das Gute. Du hast ein grundsätzliches Gefühl dafür, welche Handlungen moralisch und welche unmoralisch sind. In deiner späteren Bewusstseinsform, in der du nicht mehr durch ein beschränktes Wissen, oder durch ein kleines menschliches Ego limitiert sein wirst, wirst du deine jetzigen Handlungen sicher etwas anders einordnen. Manche wirst du deutlich kritischer sehen als jetzt. Andere wirst du wiederum wohlwollender betrachten. Du wirst dich selbst bewerten und du wirst dich vor deinem eigenen Urteil auch nicht wirklich verstecken können.
10.2
Eine Strafe im klassischen Sinne macht keinen Sinn, wenn „der Richter“ und „der Angeklagte“ dieselbe Entität sind (#5.2). Deine Fehler werden dir leidtun und du wirst einen starken Wunsch verspüren, sie wieder gut zu machen. Vielleicht wird es aber gar nicht mehr möglich sein, wenn „das Spiel“ erst einmal vorbei ist. Wenn das so wäre, dann könntest du dich in der „allwissenden“ Existenzform vor deinem eigenen Gewissen nirgendwo verstecken. Es zu verdrängen oder in Alkohol zu ertränken, wie es heute vielleicht geht, wäre dann nicht mehr möglich. Das wäre dann schon eine Art Hölle. Wer schon einmal unter starken Gewissensbissen gelitten hat, kann es sich gut vorstellen.
10.3
Auf der anderen Seite wirst du dich über alle deine Erinnerungen und Taten, die du positiv bewerten wirst, und auf die du vielleicht sogar stolz sein wirst, natürlich freuen. Wenn diese Freude in Summe deine Gewissensbisse überwiegt, dann wirst du dich bestimmt wie im Himmel fühlen.
11. Was sind die ethischen Konsequenzen dieser Thesen? Wie müsste man nach einer solchen Weltanschauung leben und handeln?
11.1
Nimm dein Leben an und genieße es! Deswegen hast du dir dieses „Spiel“ schließlich ausgesucht (#2.4).
Manche Theologen behaupten, dass dich die „irdischen Genüsse“ nur von deiner wahren Bestimmung ablenken, und dass das Leiden absolut notwendig
sei, um das wahre persönliche Wachstum zu erlangen.
Ich sehe zwar ein, dass „der Spaß“ und „die Freude“ nur im Kontrast zu „dem Leiden“ existieren können (#8.1), mit einer solchen generell negativen Formulierung bin ich aber trotzdem nicht einverstanden. Warum würdest du, als Autor des „Spiels“ (#2.4), es so masochistisch aufsetzen? Nein. Du hast dir diese Form der Existenz ausgesucht, um viel Spaß daran zu haben. Du hast diesen wunderbaren Planet und die menschliche Existenz ermöglicht, um dich mit einer großen Menge „irdischer Genüsse“ zu versorgen. Der Spaß und die Freude sind wichtige – und sogar notwendige – Voraussetzungen für deine Erfüllung. Und deine Erfüllung ist eine der Kernkomponenten des Sinns des Lebens (#1).
Es mag vielleicht schwer zu glauben sein, aber als ein kleines Wesen kannst du sogar mehr „Spaß“ haben, als der „Gott“, dem seine Omnipotenz und sein Allwissen den meisten potentiellen „Spaß“ vermasseln (#2.3, #8.5). Deswegen genieße dein Leben!
Ich stimme dem Punkt zu, dass du eine echte und dauerhafte Erfüllung nicht nur durch bloßen „Spaß“ erreichen kannst. Um deine Erfüllung tief und nachhaltig zu machen, brauchst du auch Herausforderungen, die du überwinden kannst. Und das kann manchmal auch zum Leid führen. Mittlerweile dürfte den allermeisten Menschen klar sein, dass man durch ein kontinuierliches Streben nach Freuden und durch einen gesteigerten Konsum kein nachhaltiges Glück erreichen kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass du alle Freuden verdammen und das Leiden aktiv suchen solltest.
11.2
Freu dich grundsätzlich über Herausforderungen. Sie zu überwinden, gehört zum Sinn deines Lebens. Dadurch erlangst du Erfüllung und persönliches Wachstum (#1, #8.6).
Wenn deine Herausforderungen zu physischem Leiden führen, versuche es zu lindern. Vermeidbares physisches Leiden hinzunehmen, generiert keinen Sinn oder „Verdienst“. Die einzigen Ausnahmen sind vielleicht gewisse Arten von Sporttraining oder medizinische Prozeduren.
Auf der anderen Seite kann das emotionale Leiden nicht so einfach vermieden werden. Manche Philosophen behaupten, dass es nur dadurch entsteht, wenn deine Realität von deinen Erwartungen nach unten abweicht. Wenn du deine Herausforderungen wie einen integralen Teil deines Lebens annimmst, dann müsste sich auch dein emotionales Leiden verringern. Wenn du dagegen deine Erwartungen zu hoch schraubst, dann vergrößerst du damit auch dein Potential für emotionales Leid.
11.3
Es gibt auch Schicksalsschläge, die du beim besten Willen nicht positiv interpretieren kannst. Das Universum ist voller Zufallsprozesse. Du musst es nicht übertreiben und in jeden unglücklichen Zufall gleich etwas esoterisch-positives (oder ein schlechtes Karma) hineinfabulieren.
Weil du aber weißt, wie wertvoll für dich die Hilfe anderer nach einem Schicksalsschlag sein könnte, wirst bestimmt auch du schon von vornherein selbstlos anderen nach ihren Schicksalsschlägen helfen.
11.4
Mit Hinblick auf
#10.1
bis
#10.3
ist es nicht egal, wie du dich verhältst. Ethisches Handeln ist wichtig. Mit Hinblick auf
#5.3
kannst du auch nicht wirklich jemand anderem schaden – nur dir selbst. Streng dich deswegen an und handle moralisch. Es wird dir nicht immer gelingen, aber das ist OK. Gib nicht auf. Tu Gutes, wenn du kannst. Helfe anderen. Damit hilfst du letztlich dir selbst (#5.3).
11.5
Nur weil wir alle aus der gleichen Substanz hervorgehen (#5.3), heißt es noch nicht, dass wir in unserer jetzigen Existenzform auch alle gleich sind. Die enorme Variabilität der Individuen ist ein grundsätzliches Merkmal der Natur. Nur sie ermöglicht die Evolution oder den sozialen Fortschritt. Und nur sie gibt dem „Spiel“ seine Komplexität und unzählige Herausforderungen – ergo seinen Sinn (#1, #2.4, #8.4).
Lass dich also nicht von Populisten oder Utopisten vereinnahmen, die uns alle „gleich“ machen wollen. Stattdessen genieße und schätze die Diversität.
Dies schließt ganz spezifisch auch die Diversität der Philosophien und der Weltanschauungen mit ein. Ähnlich wie die Diversität der Individuen für die biologische Evolution unentbehrlich ist, ist auch die philosophische Diversität für unser spirituelles Wachstum und die Wiederherstellung eines besseren „Gottes“ notwendig (#4.2).
Du musst sicherlich nicht alle Ideologien akzeptieren, insbesondere nicht die aggressiven und gewalttätigen. Aber im Allgemeinen solltest du dich gegenüber alternativen philosophischen Ideen der anderen Teile von dir selbst (#5.3) so tolerant und aufgeschlossen zeigen, wie es nur geht.
11.6
Sei skeptisch gegenüber allen institutionalisierten Kirchen und Ideologien. Ihre Initiatoren und Funktionäre sind genauso fehlbar, wie du. Hinterfrage kritisch, was sie tun und lass dich nicht zu leichtfertig für ihre Zwecke einspannen. Denke immer auch selbst darüber nach, was du für richtig hältst.
Das Organisieren einer Gruppe von Menschen mit ähnlicher Weltanschauung kann nützlich sein, solange die Mitglieder ihre Überzeugungen frei diskutieren und sich gegenseitig inspirieren, hinterfragen und herausfordern können. Dabei sollten sie sich idealerweise nicht in ihrer ideologischen Echokammer abkapseln, sondern auch Austausch mit anderen Philosophien fördern.
Wenn eine solche spirituelle Gruppe über eine bestimmte Größe hinauswächst, dann wirken sich neue logistische, ökonomische und politische Kräfte auf sie aus. Diese können von der ursprünglichen spirituell-inspirativen Zielsetzung der Gruppe ablenken, oder sie gar völlig ersticken. Im schlimmsten Fall endet es bei einer großen und reichen religiösen Organisation, die ihre ursprüngliche „Seele“ und moralische Glaubwürdigkeit völlig verloren hat. Diese Gefahr ist besonders groß, wenn man die Missionierung (also kontinuierliches Wachstum) als ein Teil des eigenen Programms definiert.
Auch geschäftliche, politische oder philanthropische Institutionen haben mit ähnlichen Wachstumsherausforderungen zu kämpfen, sie tun es jedoch aus einem
rationalen Grund. Gewisse globale Probleme der Menschheit kann man schließlich nur mit global agierenden Organisationen angehen.
Aber religiöse Gruppen haben keinen solchen guten Grund. Wenn du die Ansicht akzeptierst, dass die spirituelle Diversität essenziell für den Sinn des Lebens ist (#11.5), dann solltest du nicht
nach einem weltweiten Wachstum deiner spirituellen Organisation streben. Du willst schließlich
keine
ideologische Monokultur schaffen, sondern eine gesunde Diversität beibehalten. Andere Religionen, genauso wie der Atheismus und der Agnostizismus, sind ein wichtiger Teil davon.
Deswegen fang nicht an, andere zu missionieren und lass dich auch von den anderen nicht missionieren. Grundsätzliches Werben für die Toleranz und gute Taten als auch das Teilen deiner spirituellen Ansichten sind natürlich in Ordnung.
11.7
Bedenke, dass das Universum-Experiment agnostisch (d. h. ohne einen vorgeschriebenen Ausgang) ist, und dass dein Wissen und deine Fähigkeiten sehr eingeschränkt sind.
Wenn du den anderen zu spezifisch vorschreiben möchtest, was genau sie tun oder denken sollen, was richtig oder falsch ist, dann müsstest du es zuallererst selbst wissen. Wenn du ehrlich zu dir bist, dann weißt du es häufig nicht wirklich.
Deine Werte und Überzeugungen sind zu großem Teil durch deine kulturelle Prägung und deine individuellen Erfahrungen entstanden. Woher willst du wissen, dass sie auch für alle anderen „richtig“ sind? Woher willst du wissen, dass du auch in einer unbeschränkten Bewusstseinsform und mit unbeschränktem Wissen immer noch für dieselben Ideen und Werte einstehen würdest?
Wir denken häufig, wir wüssten, was gut und was schlecht ist. Auf der einfachsten Ebene mag es auch zutreffen. Eine grundlegende Ethik scheint tatsächlich ganz tief in uns verankert zu sein. Die meisten Menschen, die in sich hineinhören, würden z. B. sagen, dass Tiere zu quälen, nicht richtig sei. Aber sobald wir die einfachsten und grundlegendsten ethischen Konzepte verlassen, wird die „Wahrheit“ immer schwammiger und sie verändert sich sogar mit der Zeit. Ist der Sex vor der Ehe gut oder schlecht? Todesstrafe? Abtreibung? Kapitalismus? Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn? Cannabis? Fluchen?
Schau dir nur die Geschichte der Menschheit an und überlege, wie viele Werte und Überzeugungen aus der Vergangenheit längst passé sind. Überzeugungen, für die die damaligen Menschen bereit waren, Kriege zu führen und andere zu morden… Genauso werden auch manche von deinen jetzigen Werten und Überzeugungen vergänglich sein. Vermeide deswegen Fundamentalismus und extreme Fixierung auf
deine
Werte.
Ich werbe hier nicht für einen ethischen Relativismus, nur für das Bewusstsein der eigenen Fehlbarkeit.
11.8
Im Alltag geben uns die Gesetze eine gute Orientierung über „gut“ und „böse“. Und so, wie sich unsere Ethik entwickelt, können wir auch unsere Gesetze mittels demokratischer Prozesse ändern. Wenn sich viele für eine Änderung einsetzen, dann wird sie passieren. Lass dich von dem Bewusstsein deiner eigenen Fehlbarkeit (#11.7) also nicht lähmen. Setze dich für die von dir gewünschten Änderungen ein – sei nicht passiv! Aktive Überwindung von Herausforderungen ist schließlich ein essenzieller Teil des „Spiels“.
Aber auch wenn du dich entschieden hast, für deine Idee einzutreten, höre immer noch auch den anderen (Teilen von dir selbst) zu und versuche ihren Standpunkt und ihre Werte zu verstehen. Versuche, die anderen (Teile von dir selbst) durch dein gutes Beispiel zu gewinnen, statt sie durch Gebote zu bezwingen.
11.9
Wenn du dich für gesellschaftliche Veränderungen einsetzt oder gar in eine Machtposition kommst, behalte das mentale Modell der
Eierstock-Lotterie
bzw.
des Schleiers des Nichtwissens
im Hinterkopf. Gestalte die Regeln so, dass sie nicht nur für dein jetziges „ich“ vorteilhaft sind, sondern für alle Mitglieder der Gesellschaft und für alle Wesen. Wenn du zufälligerweise alt, reich, schwarz, intelligent, weiblich, gesund, oder liberal bist, dann optimiere die Regeln
nicht
für die Wesen mit diesen Attributen. Deine anderen „ichs“ sind nämlich auch jung, arm, weiß, weniger intelligent, männlich, krank, oder konservativ. Warum solltest du sie benachteiligen wollen? Damit würdest du dich letztlich nur in dein eigenes Fleisch schneiden (#5.3).
11.10
Die Mitglieder einer Gesellschaft sollten ungefähr gleiche Chancen bekommen, aber völlig gleich werden diese Chancen niemals sein. Jemand, der blind geboren wurde, wird wohl kaum Pilot werden können, selbst wenn es ihm „ungerecht“ vorkommt. Genauso sollte jemand, der mit unterdurchschnittlicher Intelligenz gesegnet ist, oder durch sein bisheriges Leben zu wenig Vertrauen erweckt, kein wichtiges Amt bekleiden dürfen. Die „Meinung“ eines Verschwörungstheoretikers sollte in einer Diskussion nicht das gleiche Gewicht bekommen, wie die fachliche Sicht eines Professors oder eines Ingenieurs. Hier gibt es keine natürliche Gleichheit und das ist gut so (#11.5).
Gleichzeitig gibt es Ungleichheiten, die nicht in Ordnung sind. Dass sich die Reichen politische Macht erkaufen und ihren Kindern einen besseren Zugang zur Bildung garantieren können, ist keine natürliche Ungleichheit. Sie ist menschengemacht und wir müssten sie nicht hinnehmen. Wir können sie über demokratische Prozesse beseitigen.
Wer entscheidet aber darüber, welche Art von Ungleichheit „in Ordnung“ und welche „unfair“ ist? Natürlich nur wir. Zunächst jeder Einzelne für sich selbst und anschließend wir alle für uns als Gesellschaft. Es gibt keinen Gott, der es uns vorschreiben und uns für die Einhaltung seiner Weltordnung später mit dem Himmel belohnen würde (#10). Wir sind „der Gott“ (#5.2) und deswegen müssen wir diese Verantwortung übernehmen.
11.11
Verabschiede dich von der Illusion einer außergewöhnlichen Stellung des Menschen. Ja, auf unserem Planeten mögen wir zum aktuellen Zeitpunkt die erfolgreichste Spezies sein. Daraus sollten wir aber vielleicht mehr Verantwortung und weniger Arroganz ableiten. Unsere momentane Überlegenheit gibt uns kein Recht auf Grausamkeit zu anderen Arten. Eine andere Lebensform könnte uns später für genauso „primitiv“ halten, wie wir die Tiere. Wir könnten ihr genauso ausgeliefert sein, wie die Tiere uns. Möchten wir, dass diese Lebensform dann genauso mit uns umgeht?
Es gibt keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Der Homo Sapiens ist nur eine intelligentere Weiterentwicklung gewisser Menschenaffen. Auf lange Sicht wird es nach Homo Sapiens weitere, höher entwickelte Nachfolger geben – sei es über Evolution, oder über unsere eigenen technologischen Fortschritte und genetische Manipulationen. Wenn wir nicht wollen, dass die zukünftigen „Übermenschen“ so mit uns umgehen, wie wir es heute mit Tieren oder Naturvölkern tun, dann sollten wir an einem neuen ethischen Rahmen arbeiten, solange wir uns noch in der Überlegenheitsposition befinden.
11.12
Die genaue Auslegung von „ethisch“ ist uns überlassen. Es gibt keine übergeordnete Autorität, die es uns vorschreiben würde (#6). Wir müssen diese Diskussion aber ehrlich führen, nicht mit Arroganz, Gewinnsucht oder Verdrängung (#10.2, #11.4).
Für Tiere, die ihre Existenz nicht bewusst reflektieren und keine Zukunftspläne schmieden, mag ein artgerechtes glückliches Leben mit einem schnellen und schmerzlosen Tod am Ende „fair“ sein. Auch in der Natur sterben Tiere als Beute anderer. Unsere industrielle Massenhaltung unter grausamsten Bedingungen ist aber keinesfalls „fair“ – nicht mal bei der großzügigsten Auslegung. Setze also auch du dich für einen angemessenen ethischen Rahmen ein und verschließe nicht die Augen vor unseren Fehltritten.
11.13
Nach den Überlegungen aus
#5.3
sind auch andere Wesen, genau wie wir, kleine Teile von „Gott“. Im Zustand des uneingeschränkten Bewusstseins würdest du dich zu den anderen Teilen von dir selbst niemals grausam oder gleichgültig verhalten (#8.8).
Die Religionen, die an Reinkarnation glauben, verdeutlichen den moralischen Gedanken aus #11.9
und
#11.11: „Du weißt nicht, als welcher Mensch oder Tier du später wiedergeboren werden wirst. Du weißt auch nicht, welche von deinen verstorbenen Liebsten bereits als andere Wesen wiedergeboren wurden. Verhalte dich deswegen zu allen Wesen gut und behandle sie fair.“
Nach den oben dargelegten Überlegungen brauchst du dafür aber keine sequenziellen Reinkarnationen. Du selbst lebst schließlich gleichzeitig
in allen anderen Wesen.
11.14
Erscheint dir diese Sichtweise völlig utopisch, realitätsfremd und philosophisch abgehoben? Mag sein. Wäre unser Leben aber nicht besser, wenn mehr Menschen eine solche Sichtweise annehmen und zumindest teilweise danach handeln könnten? Überlege es dir selbst.
Es ist nicht mein Anspruch, ständig und zu 100% nach dieser Philosophie zu handeln. Das schafft kein Mensch. Aber du kannst sie wie ein mentales Modell in deinem Hinterkopf behalten. Du kannst dich manchmal daran erinnern und es anwenden, wenn du gerade vor schwierigen Entscheidungen stehst, die deine Werte herausfordern. Und du kannst dich immer an die Spiel-Metapher erinnern, wenn du dich dabei ertappst, dass du zu verbissen agierst.
11.15
Diejenigen, die sich einen Gott wünschen (#3.3), mögen sich von dieser Sicht inspirieren lassen. Diejenigen, die auch ohne eine religiöse Weltanschauung ethisch handeln können, brauchen ein solches Modell nicht. Da wir nicht wissen, ob es einen Gott gibt, ist der atheistische Standpunkt genauso legitim, wie der religiöse (#3.2). Was zählt, ist unser Verhalten, nicht unsere Weltanschauung.
12. Welche Fehler machen wir häufig, wenn wir über Gott und die Religionen nachdenken?
12.1
Wir lassen uns durch unser extrem limitiertes Wissen leiten und einschränken. Wenn wir über „Gott“ diskutieren, dann ist es zwangsläufig so, als ob Steinzeitmenschen über einen Düsenjäger oder einen Basis-Zinssatz diskutieren möchten. Ihre Vorstellung und ihr Vokabular fassten nur die Objekte und Konzepte aus ihrer Welt um. Sie konnten einen Düsenjäger also gar nicht adäquat beschreiben. Beim besten Willen würde es vielleicht auf einen „großen lauten Vogel aus Stein“ hinauslaufen. Das ist nicht gerade differenziert.
Jeder Steinzeitmensch, der noch keinen Düsenjäger gesehen hatte und der sich deswegen nur auf seinen Erfahrungsschatz stützen konnte, hätte einen Düsenjet-Zeugen wahrscheinlich ausgelacht: „Ein fliegender Vogel aus Stein? Jeder weiß doch, dass es sowas nicht gibt! Du hast wohl von den falschen Pilzen gegessen.“ Und wer möchte es ihm übel nehmen? Man muss schon sehr aufgeschlossen sein und über eine sehr gute Vorstellungskraft verfügen, wenn man über derart entfernte Konzepte diskutieren möchte. Bedenke es, wenn du mit anderen über „Gott“ diskutierst.
12.2
Wenn wir die Diskussionen über „Gott“ mit allen unseren Einschränkungen nur so unpräzise führen können, heißt es dann, dass solche Diskussionen letztlich sinnlos sind? Auf keinen Fall! Sie gehören schließlich zu dem Sinn des Lebens, s. #1
,
#2.4, #3.3
und
#4.2.
12.3
Wir nehmen die spirituellen Beschreibungen und Überlegungen anderer zu wörtlich. Mit Hinblick auf #12.1
ist es klar, dass die Beschreibungen anderer zu solch abstrakten Themen zwangsläufig sehr unpräzise sind. Deswegen dürfen wir sie nicht wörtlich nehmen und müssen ihnen einen großen Auslegungsraum einräumen.
Jeder, der auf eine zu penible Auslegung der Bibel oder des Korans pocht, macht einen großen Fehler. Wer daraus für sich sogar das Recht ableitet, andere zu maßregeln und zur Einhaltung seiner Auslegung zu drängen, der handelt ohne Frage unmoralisch.
12.4
Wir schließen von unseren aktuellen Überzeugungen und Beweggründen auf die Überzeugungen und Beweggründe einer göttlichen Entität. Wir denken häufig, wir wüssten, was gut und was schlecht ist. Hier wären mehr Bescheidenheit und ein Bewusstsein der eigenen Fehlbarkeit angebracht (#11.7).
12.5
Wir denken in unserer limitierten Ja/Nein-Logik auch über solche Fragen nach, bei denen es vielleicht gar keine klaren Ja/Nein-Antworten gibt (#4.1). Wir denken zu wenig in agnostischen Kategorien. (Der Ausgang ist offen. Den Gott gibt es und
es gibt ihn gleichzeitig nicht. Unser langer Weg zu „Gott“ ist das eigentliche Ziel.)
12.6
Wir separieren uns von „Gott“. Wir sagen also: „Hier bin ich, da ist der Gott – das sind zwei unterschiedliche Subjekte.“ Dabei gibt es zwischen uns und einem „Gott“ keinen prinzipiellen Unterschied. Wir sind
der „Gott“ (#5.2).
12.7
Wir nehmen an, dass ein externer und überlegener Gott die Ziele im Universum vorgibt. Dabei sind es wir, die die Ziele vorgeben. Wir haben einen freien Willen und die damit verbundene Verantwortung (#6.1, #10). Wir sind die Repräsentation von Gott. Wir sind die ganze Zeit dabei, den Gott zu rekonstruieren und ihn verbessert wiederherzustellen (#4.2).
12.8
Wir fokussieren uns bei den Religionen zu stark auf ihre Symbole und Riten, statt auf ihre moralischen Botschaften. Die Riten wurden von Menschen und für Menschen gemacht. Sie sind nur eine Art „Marketing-Gag“ und ein Wiedererkennungsmerkmal der jeweiligen Religion. Wenn du dich in dein „göttliches ich“ hineinversetzt (#2.2, #3.5, #5), dann werden dir die meisten Riten herzlich egal sein. Einige wenige, die eine moralische Botschaft verdeutlichen (z. B. den Hungrigen Essen anbieten), würden dich vielleicht auch weiterhin ansprechen. Aber die restlichen Riten sind bestenfalls unnötig, und wenn sie zu fundamentalistisch befolgt werden, sogar schädlich.
12.9
Wir verstehen die Religion manchmal als Gegenpol der Wissenschaft. Dabei können Religionen und Wissenschaft nicht nur widerspruchslos koexistieren, sondern sich auch wunderbar ergänzen.
Dies geht jedoch nur bei solchen Religionen, die die Wichtigkeit der Wissenschaft anerkennen und sich dem Stand unseres Wissens und unserer Ethik kontinuierlich anpassen. Dogmatische Religionen, die die Autorität ihrer Geistlichen betonen, auf uralten Schilderungen beharren und diese zu wörtlich interpretieren, verlieren irgendwann den Kontakt zur Realität und machen sich selbst dadurch überholt und lächerlich.
12.10
Wir nehmen die Religionen als „gottgegeben“ hin. Dabei sind sie offensichtlich menschengemacht. Wenn die einzelnen Religionen wirklich vom Gott verkündet worden wären, warum würden sie sich dann widersprechen? Und falls nur eine einzige unter ihnen „die wahre“ Religion wäre und alle anderen irren würden, wie möchten wir dann die richtige erkennen? Der Pastafarianismus erscheint mir mindestens so legitim und glaubhaft, wie das Christentum, das Judentum oder der Islam.
Wenn wir anerkennen, dass die Weltanschauungen menschengemacht sind, dann sollten wir sie genauso bewusst und transparent designen
(und auch designen dürfen), wie wir es mit unseren Technologien oder unseren Gesetzen tun. Eine gute Weltanschauung darf nicht in einer verschworenen elitären Gruppe von Dogmatikern definiert und als ein Instrument zur Beherrschung der Massen eingesetzt werden. Sie darf auch nicht einem Neugeborenen automatisch zugewiesen werden. Die Entscheidung für eine Mitgliedschaft muss freiwillig und mündig erfolgen. Jedes Mitglied soll sich am Design der Prinzipien beteiligen dürfen und ihre Änderungen sollen im Konsens zulässig sein.
Da Menschen fehlbar und manipulierbar sind, bergen demokratische Prinzipien auch Risiken. Sie können zur Vermeidung von unangenehmen Entscheidungen führen, oder in Populismus und Demagogie ausarten. Trotzdem würden wir mit einem demokratisch-gestaltenden Ansatz unserer Weltanschauungen auf lange Sicht besser fahren, als mit autoritär-konservativen Ideologien.
Eine solche demokratische und progressive Weltanschauung, die auch alternative Philosophien akzeptieren würde (#11.5), Atheismus ausdrücklich eingeschlossen (#11.15), würde dem Sinn des Lebens besser gerecht werden (s. #1, #2.4, #4.2, #8.6
und
#12.7).
Schlussbemerkung
Danke, dass du dir Zeit für meine Überlegungen genommen hast. Wenn du es bis hierher geschafft hast, dann war der Text vielleicht doch nicht so philosophisch trocken, wie ich es befürchtet hatte. Oder deine Begeisterung für das Thema war so groß, dass dich die Textlänge nicht abschrecken konnte. Wie auch immer, ich schätze dein Interesse sehr und danke dir dafür.
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Dominik